Das Angebot der Woche: Der Osnabrücker Keramiker und Bildhauer Volker-Johannes
Trieb verwandelt den Osnabrücker EDEKA-Lebensmittelmarkt Kutsche, Voxtrup, temporär in einen Ort der Kunst.


„Stellen Sie sich vor, Sie gehen nicht nur an Mineralwasser, Schokolinsen oder Avocados
vorbei, sondern auch an Kunst, keramischer Kunst, inszeniert auf alten Arbeitsmöbeln! Sie
befindet sich dort, wo man sie am wenigsten erwartet, aber auch genau dort, wo sie am
wirkungsmächtigsten ist.“

 

Altar und Schlachtblock, Ölkanister und Schulbank, Holzstuhl und Metallschrank -
Fundstücke, mit Steinzeugton zu Objekten einer Installation kombiniert: „Lebt der Mensch
vom Brot allein?“ Eine Balance auf dem Grat zwischen Figuralität und Abstraktion.
Wie kam es zu dieser Kooperation? Volker-Johannes Trieb: „Als Künstler beschäftige ich
mich vor allem mit der Alltagskultur und lasse mich davon inspirieren. Ganz elementar
gehören dazu Essen und Trinken. Ich finde es wichtig, diese Verrichtungen so bewusst wie
möglich zu machen und zu erleben. Und wo finden sich mehr unterschiedliche
Gegenstände, auf die man künstlerisch reagieren kann, als in einem Supermarkt?“
Seit über 30 Jahren arbeitet Volker-Johannes Trieb als Künstler. „Lebt der Mensch vom
Brot allein?“ repräsentiert diese Zeitspanne als eine Art Fundstückzeitraffer. Natürlich sind
auch neue Keramiken eigens für die Ausstellung entstanden, aber einige Arbeiten greifen
bis in die Anfänge zurück. Trieb: „Einige stammen von mir selbst, andere von meinen
Mitarbeitern. Es hat sich eine persönliche Mischung entwickelt, die im Umfeld des Marktes ihre Spannung entfaltet.“


Volker-Johannes Trieb erweitert das EDEKA-Sortiment um geistige Nahrung - und um die
Sehnsucht danach, Wahrnehmungsmuster in Frage zu stellen.
Im Laufe der Ausstellung führt eine Grundschul-Klasse unter Begleitung von Prof. Dr.
Andreas Brenne, Universität Osnabrück, Kunstpädagogik, eine Besucherbefragung zur
Wirkung der Objekte durch.
Zum 3. Oktober 2016 wechselte die Ausstellung ins Kreishaus des Landkreises Osnabrück.

Volker-Johannes Trieb zu Kunst an ungewöhnlichen Orten:
„Eines Tages, ich war 10 Jahre alt, arbeitete ich im Weinberg, bei Worms am Rhein,
wo ich geboren bin. Mein Klassenkamerad Bernd war dabei, mit seinen Eltern. Dort oben
begegnete uns ein Mann. Aus den abgeschnittenen Weinreben formte er Kunstobjekte,
sehr vergängliche Gegenstände; auf den ersten Blick kamen sie mir sinnlos vor. Doch
rasch begann ich zu spüren, dass diese Sinnlosigkeit sinnhafter war als das meiste, mit
dem uns unser Alltag konfrontiert: Autos, Kleidung ...


Dieser Tag brachte mich zur Kunst - im Nachhinein: Ein Erwachsener, der etwas
vermeintlich Sinnloses tat. Damals, in meinem Alter, sah man zu Erwachsenen auf - weil
man sie Erwachsenendinge tun sah. Die Erkenntnis, dass Erwachsene nicht immer
erwachsen sind, war für mich erst eine Enttäuschung.

 

Aber dann sah ich, dass das gar nichts Schlechtes ist. Dass vielen Erwachsenen, stolz auf
ihr Erwachsensein, auf ihre vermeintliche Vollendetheit, in Wahrheit etwas sehr Wichtiges
fehlt: Der Mut zur Kindlichkeit. Die Einsicht, wie wertvoll es ist, noch Kind sein zu können.
Diese zufällige Begegnung mit der Kunst hat mir gezeigt, was Kunst vermag. In Museen
oder Galerien habe ich einen solchen Zugang nie gefunden. Der Mann im Weinberg hatte
den Alltag geheiligt. Und genau diese Heiligung des Alltags ist seither die Triebfeder und
das Ziel meines Schaffens.

 

Kunst gehört in den Alltag, muss Teil des Alltags sein, sonst ist sie nur Selbstbespiegelung. Keramik als die Materialität der Alltagskultur ist mir dabei eine große Hilfe - ganze Kulturen werden anhand ihrer Keramik bestimmt. Keramische Kunst bedeutet den Umgang mit den vier Naturelementen: Feuer, Wasser, Erde und Luft; keine andere Kunstform kennt diese elementare Erfahrung.
Hier, in dieser Ausstellung, tritt sie, collagiert, an die Seite von Fundstücken. Einem Altar etwa, der verbrannt worden wäre, hätte ich ihn nicht an mich genommen, als ich 11 war.

 

Oder einem Kanister, den ich vor ein paar Wochen zufällig in einem Straßengraben fand.
Alte Fundstücke, neue Keramik; alte Keramik, neue Fundstücke - ein Resümee meiner
Arbeit - und der meiner Mitarbeiter - der letzten 30 Jahre.“