"Ein Netz, die dunklen Träume von uns fernzuhalten, bis das Licht des Morgens sie auflöst", Wandinstallation Ø 240 cm

"Etwas wie von weither in Raum und Zeit und doch vertraut wie nichts je zuvor", Wandinstallation, 175 x 190 cm
"Etwas wie von weither in Raum und Zeit und doch vertraut wie nichts je zuvor", Wandinstallation, 175 x 190 cm, Detail
"Häutungen", 30 x 15 cm
"Häutungen", 34 x 24 cm
"Visionen über den Kreis des Lebens, über die Schatten der Realität", Wandinstallation, Ø 83 cm
"Visionen über den Kreis des Lebens, über die Schatten der Realität", Wandinstallation, Ø 83 cm
"Wir fanden ihn in einer Regennacht", Wandinstallation, 190 x 260 cm
"Wir fanden ihn in einer Regennacht", Wandinstallation, 190 x 260 cm, Detail
"Ein Netz, die dunklen Träume von uns fernzuhalten, bis das Licht des Morgens sie auflöst", Wandinstallation Ø 240 cm, Detail
"Ein Netz, die dunklen Träume von uns fernzuhalten, bis das Licht des Morgens sie auflöst", Wandinstallation Ø 240 cm, Detail

Das Ganze im Fragment
Keramische Arbeiten von Volker-Johannes Trieb  

 

Volker-Johannes Trieb ist ein vielseitiger Künstler und Materialerkunder, der in seiner künstlerischen Arbeit ebenso mit Holz und Metallen als auch mit industriell gefertigten Produkten vertraut ist. Es gibt viele Facetten im bisherigen Werk von Volker-Johannes Trieb. Er ist ebenso Designer wie Konzeptgestalter und Künstler. Über seine zahlreichen Kunstpräsentationen und -aktionen und seine z.T. monumentalen Kunstwerke im öffentlichen Raum hat sich der Künstler weit über die Region Osnabrück hinaus profiliert und internationalen Bekanntheitsgrad erlangt. Eines seiner zentralen Ausdruckmittel war immer die Keramik, deren künstlerische Anwendung er inzwischen mehr als …..
Jahre erkundet und von deren Möglichkeiten und Einschränkungen er sehr genaue Vorstellungen hat. „Das Ganze im Fragment“ - Wandobjekte und -reliefs - beeindruckt durch klare und verknappte Formen und durch eine skulptural anmutende Formenbeherrschung  

 

Das wesentliche Erkennungsmerkmal der Werkreihe ist eine energetisch-dynamische an die asiatische Kalligraphie erinnernde Malchiffre. Durch sie entsteht ein Eindruck von Lebendigkeit und Bewegung, der alle Motive der neuen keramischen Werkreihe prägt. Vor dem Hintergrund der vielfach strukturierten Keramikoberflächen dominiert und beherrscht die schwungvolle, zumeist in Blau oder in Schwarztönen gehaltene Chiffre die gesamte Komposition. Sie schafft - malerisch und grafisch zugleich - den visuellen Zugang und führt in die Gesamtkomposition ein.    

 

Die Chiffre als kulturelles Element und energetische Lebensspur ist auf Keramikgrundformen aufgetragen und eingebrannt worden. Einfache Formen, wie Rechteck, Quadrat oder Kreis herrschen vor. Einige der Motive hat Volker-Johannes Trieb zu großen raumdominanten Wandarbeiten entwickelt. Unter der aktuellen Werkreihe sind auch freie nichtgeometrische Formen, die der Künstler teilweise mit Naturhölzern kombiniert hat.  

 

In den Einzelobjekten sind ebenso wie in den mehrteiligen Arbeiten Spuren eingeschrieben. Flüchtige Spuren, die sowohl in Auflösung als auch in Entstehung und Verdichtung begriffen zu sein scheinen. Sie erinnern an Dingliches ebenso wie an Figuratives, aber auch an morphologische Formen, molekulare Strukturen oder kosmische Prozesse.  

 

Diese Spuren erscheinen immer nur fragmentarisch auf - als flüchtig gesetzte Linie, als das Bruchstück einer kaum mehr lesbaren Schrift, als vages Zeichen eines Körperbildes oder als der Rest eines nicht mehr identifizierbaren Urzeichens. Die Betonung des Fragmentarischen ist auffällig. Sie ist ein weiteres Merkmal der neuen Werkreihe. Die Spuren flüchtiger Augenblicke, die rätselhaften fragilen und fragmentarischen Lebensspuren sind spannungsvoll zu einer existentiellen aber auch rätselhaften Atmosphäre verdichtet. Dabei herrschen Polarisierungen vor, Polarisierungen zwischen Ordnung und Chaos, Konzentration und Auflösung, Instabilität und Gleichgewicht, Schwere und Leichtigkeit. Bedingt durch das im Feuer erstarrte und gehärtete Grundmaterial, der Keramik, stellen sich schnell Assoziation an vulkanische Prozesse ein, an erstarrte oder wiedererwachende Energiefelder oder auch an Sedimente, die die Erinnerung an etwas versiegeln und bewahren.  

 

Die fragmentarischen Konfigurationen beschwören Lebensspuren und aktivieren und ästhetisieren die Kompositionen zugleich. Einige Zeichen erinnern an symbolische Zeichen, typographische Elemente und kommunikative Prozesse. Die Erscheinungen oszillieren zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, zwischen energetischer Bewegung und Erstarrung. Die Komposition wirkt wie eine landschaftliche Oberflächenstruktur, aus der heraus sich die Dinge öffnen, sich andeuten und zugleich wieder schließen und verbergen.    

 

Wir ahnen, dass die Erscheinungen, die wir vor uns sehen etwas mit uns, mit dem Geheimnis unserer Existenz und unseres Lebens und mit der Geschichte der Welt zu tun haben. Doch die Erscheinungen öffnen sich unserer Imagination nur bruchstückhaft, nur fragmentarisch. Volker-Johannes Trieb stellt diesen Aspekt der Wahrnehmung und Erkenntnis in den künstlerischen Zusammenhang. In seinen Arbeiten ist das Fragment omnipräsent - als Sinnbild moderner Lebenserfahrung die besagt, dass Welterkenntnis immer nur bruchstückhaft gelingt und wir die Welt immer  nur fragmentarisch erfahren - im Leben ebenso wie in der Kunst.  

 

Eine weitere neue Dimension im Schaffen von Volker-Johannes Trieb scheint durch skulpturale und architektonische Aspekte der plastischen Form auf. Durch diese spezifische Eigenschaft werden nicht nur inhaltliche und formale Momente eindrucksvoll verschränkt und verstärkt, sondern die Kunstobjekte ändern ihre Wirkung je nach Blickwinkel unter sich verändernden räumlichen Bedingungen und den verschiedenen Lichteinfällen, denen sie ausgesetzt sind. Zu dieser Wirkung tragen Öffnungen und Durchbrüche, die wiederum Schattenwirkungen nach sich ziehen, in erheblicher Weise bei. Insgesamt unterstreichen die auf die raumplastische Wirkung bezogenen Gestaltstrategien den sinnlichen Ausdruck und Reiz der neuen Werkreihe erheblich.  

 

Die Haptizität seines Materials, der Keramik, das emotionale Element, die sichtbaren Energiespuren des Lebens, die überbordende Lebendigkeit, die Bewegung und die Dramatik. All das sind Aspekte einer Konzeption, die Volker-Johannes Trieb gegen Stillstand, Statik und Unveränderbarkeit setzt. Wie die Zeichen und Figurationen des Künstlers aus dem Nichts in den Raum treten und ihre Spuren hinterlassen, so treten sie auch zurück. Am Ende bleibt von ihnen nur eine vage Erinnerungsspur. Als eine solche Spur werden sie - halb eingegraben, halb sedimentiert in den Keramik- und Farbmassen - zur Chiffre. Diese letzte Spur geronnener Erinnerung ist der bleibende Moment einer Zeit und einer Erfahrung. Sie zeugt von Distanz und Loslösung und beinhaltet Verweise auf den Betrachter selbst. Die wesentlichen Dinge mit denen sich der Künstler befasst, handeln von Auflösung und Verdichtung. Themen wie Gedächtnis, Erinnerung und Zeit spielen in seiner künstlerischen Strategie eine explizite Rolle.  

 

 

André Lindhorst, Direktor a.D. der Kunsthalle Osnabrück